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Ein Tag: Er .:GER:.

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FecarytheLion's avatar
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Ein Tag: Er


geschrieben von FecaryTheLion


Die Schwärze war vertrieben. Er öffnete die Augen, nur einen Spalt, und schloss sie gleich wieder.
Es war noch dunkel im Raum, selbst als er die Vorhänge öffnete, nachdem er sich vorsichtig aus dem Bett erhoben hatte, um sie nicht zu wecken. Sie schlief noch, wie immer.
Er beneidete sie fast schon dafür, mehr Zeit zum Schlafen zu haben. Ihm kam es so vor, als würde er gleich, nachdem er sich hingelegt hatte und die Augen geschlossen hatte, diese wieder aufschlagen, keine Erholung spürend, weiterhin ermüdet wie zuvor.
Schlaftrunken schlurfte er vom Fenster weg, in den zweiten von drei Räumen der Wohnung, die Küche. Schlurfte lustlos vorbei an dem Tisch, auf die nächste Tür zu, und er betrat den dritten Raum, den es noch neben der Küche und dem Schlafzimmer gab: Das Bad.
Schlurfte zum Spiegel und sah hinein. Ihm gefiel nicht, was er sah. Die Augen rot von all dem Feinstaub, mit tiefen Ringen gezeichnet, dazu noch einen Bartansatz. Er hatte sich die letzten Tage allem Anschein nach nicht rasiert, was ihm jedoch, bis jetzt zumindest, nicht aufgefallen war. Es kümmerte ihn aber auch nicht weiter.
Das einzige, woran er denken konnte, während er sich zuerst die Zähne putzte, systematisch einen nach dem anderen, war, zurück ins Bett zu fallen. Doch das war nicht möglich. Er war schon früher nicht selten zu spät gekommen und konnte es sich kaum mehr erlauben, ohne nicht Gefahr zu laufen, gefeuert zu werden. Und dann würden sie all das nicht mehr bezahlen können.
Er musste diese Zeit durchstehen. Immerhin waren es nur noch... noch... noch einige wenige Jahre. Er konnte sich nicht an die genaue Zahl erinnern. Es kümmerte ihn inzwischen auch nicht mehr. Das, was er früher für einen Albtraum hielt, war Alltag geworden.
So begann er, sein Gesicht zu waschen, während die Schwärze in den Fenstern langsam zu einem dumpfen Grau wurde. Ein Grau wie jeden Tag zu dieser Jahreszeit.
Zurück im Schlafzimmer zog er sich hastig an, ging in die Küche, schnitt sich ein paar Brotscheiben ab, die er noch mit Butter bestrich, und verließ das Haus. Es war weder kalt noch warm draußen. Milde für diese Zeit, harsch für eine andere, aber dennoch war er froh über seinen Mantel, welcher ihn warm hielt.
Wieder in Gedanken versunken, dieses mal über die bevorstehende Arbeit, stieg er in den alten, rostigen Wagen, den er am Straßenrand geparkt hatte, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr an, aus der Parklücke hinaus auf die graue Straße, die scheinbar noch ewig in beide Richtungen zu gehen schien, ohne ein Ende, ohne ein Ziel.
Er war alleine im Wagen. Gerne hätte er das Radio eingeschaltet, doch es funktionierte schon seit langem nicht mehr. So blieb es still im kalten Wagen. Auch die Heizanlage war kaputt, sie heizte nur im Sommer, weswegen er sich noch ein weiteres mal über den Mantel, den er trug, freute.
Einige Nebelschwaden krochen träge über die Straße, beleuchtet durch das fahle Licht der Scheinwerfer. Neben dem Wagen floss auch langsam ein Fluss, als ob er aus nicht mehr als Schlick und Schlamm wäre. Selbst die Farbe war schwärzlich Grau, sodass noch schwerer zu erkennen war, dass es sich hierbei um Wasser handelte.
Müde sah er die Häuser vorbei rauschen, eines nach dem anderen. Alle sahen gleich aus, waren hoch und grau und gleichförmig und gerade, wie sie Wand an Wand dastanden, aufgereiht wie Zinksoldaten, alle miteinander austauschbar.
Er fuhr an den Reihen vorbei, Haus für Haus, das einzige Geräusch, das in der ganzen Straße zu hören war, war das Knattern des alten Auspuffs und das Röhren des Motors, der gerade noch mit einigem Aufwand das Auto vorantrieb.
Wünschend, er könne sich einen neuen Wagen leisten, hielt er an und sah nach anderen Leuten, die zu so früher Stunde schon arbeiten mussten. Niemand. Stille herrschte.
Wieder fuhr er los, bog ab und verscheuchte mit dem Luftzug den feinen Nebel, der den Boden bedeckte wie ein Spinnennetz, bereit für seine Beute.
Eine Einfahrt zog an ihm vorbei, gefolgt von einer weiteren, und einer weiteren, alle führten zu Seitenwegen, die sich in der Ewigkeit verloren, ausgestattet mit Schlick und Schlamm und hohen, grauen Häusern, aneinandergereiht zu einer Stadt, die noch im Nebel lag.
Das Wetter war genau wie alles andere auch: Unfreundlich und eintönig. Nicht einmal Regen frischte die Luft auf, nein, das einzige, was war, war ein dichter Nebel, der zwar von Minute zu Minute lichter wurde, doch nie ganz verschwand.
Missmutig bog er in eine der hunderten Ausfahrten ein und fuhr noch ein Stück des Weges ab und hielt dann vor einem der vielen Häuser an. Der einzige Unterschied zwischen diesem und den anderen war, dass es ein wenig breiter und höher war und ein flaches Dach hatte. Beinahe schon auffällig in dieser Umgebung.
Er parkte wieder am Rande des Weges, stieg aus dem Wagen aus, und ging auf die Holztür zu. Sie war eigentlich blau gefärbt, doch man konnte nichts sehen außer dem Grau, welches die ganze Stadt gefangen hielt.
Nachdem er einen Schlüssel aus seiner Hosentasche hervorgezogen hatte und die Tür aufgesperrt hatte, diese geöffnet hatte und eingetreten war, zog er sich die Jacke aus und hing sie an einen der Kleiderständer an der Wand des Ganges, welcher vom blassen Licht einiger Neonröhren, die an der Decke hingen, spärlich beleuchtet wurde, sodass alles blass und verwaschen aussah. Auch einige Türen verzierten die sonst kargen Wände, doch sie alle sahen, wie der gesamte Rest der Anlage, gleich aus, bis auf die wenigen Nummernschilder, die noch daran hingen, sofern sie nicht abgefallen waren.
Er ging zur dreizehnten Tür, und trat ein. Vor ihm war eine große Maschine zu erkennen, das meiste davon anscheinend verborgen hinter Wänden, vermutlich aus Sicherheitsgründen, und das einzige, was bedienbar aussah, war ein Fließband, über welchem mehrere Bohrer hingen, bereit dazu, herabgefahren zu werden, um löcher in die Blechplatten zu bohren, die, vom Fließband gezogen, darunter hinwegzogen.
Davor standen bereits einige Männer und Frauen und senkten die Bohrer mechanisch, wenn die Blechplatten anhielten. Er stellte sich dazu, und erkannte verwaschen einige blasse Ovale als Gesichter der anderen. Alles war verwischt von seiner Müdigkeit, das einzige, was er wahrnahm, waren die Bohrer, von denen er nun einen bediente, die Platten und der Staub, der sich an ihm festsetzte und seine Augen reizte, sowie, endlich, nach langer Zeit des Senkens und Hebens eines Hebels, das Klingen der Glocken, die die Pause andeuteten.
Inzwischen war er auch ein wenig wacher, und so konnte er, als er auf den kleinen Hinterhof hinter dem Block, in welchem er arbeitete, stand und sein Brot aß, die vielen Graffiti auf den Mauern sehen, die dies alles verzierten. Auf einem war zu lesen:
„Arbeit macht frei!"
Den Leute, die das an die Wand gesprüht hatten, waren schwere Strafen zugekommen, und die Firma hatte sich dadurch ebenfalls einiges an Ärger eingehandelt, auch weil sie die Worte nicht entfernen ließ. Und so blieben sie stehen, ewiges Mahnmal und ewige Erinnerung vergangener Zeiten.
Die Glocke klingelte erneut, und wieder betrat er das Gebäude, stellte sich in Raum 13 an das Fließband und hob und senkte den Bohrer, atmete metallenen Staub, sah Staub, roch Staub, schmeckte Staub auf seiner Zunge, bis die Zeit um war, und er endlich dieses Haus verlassen konnte.
Er stieg in den Wagen, zu dem sich andere gesellt hatten. Es war inzwischen wieder finster, wie noch am Morgen.
Es war still, und er saß allein dort. Er wünschte, er hätte ein Radio, um die Stille zu vertreiben, doch es war längst kaputt und unbrauchbar.
So fuhr er los, bog in die Hauptstraße, bald in eine Seitengasse, und hielt vor einem hohen, grauen Haus, das sich nicht von den anderen daneben, dahinter und davor unterschied, und stieg aus, schloss den Wagen ab, sah hoch zu den Fenstern, erkannte aber nur Finsternis. Alle Lichter waren bereits wieder gelöscht. Wie jeden Tag.
Er ging in das Haus, stieg Treppen hoch bis zu seiner Wohnung, schloss auf und trat ein, in die Küche. Er war zu müde, um sich nun noch essen zu machen, und selbst wenn, so wäre doch nichts da gewesen, was er sich hätte zubereiten können.
Also schmierte er sich ein paar Butterbrote, die er schnell verzehrte, und machte sich zum Schlafen bereit, wusch den Staub und den Schweiß von sich, begab sich in das Schlafzimmer und legte sich zu ihr.
Sie war längst eingeschlafen, verwoben in ihren Träumen.
Und auch er schlief, nachdem er die Augen schloss, sofort ein.
Es war ein Tag wie jeder andere. Er schlief, während draußen auf den Straßen der Nebel immer dichter wurde.

© DraonCC
Die Geschichte wird "fortgesetzt"!^^
Nachdem ich in Ein Tag: Sie mehrere male einen möglichen Partner erwähnt habe, dachte ich mir, ich könnte ein Gegenstück dazu schreiben, das vom selben Tag handelte, nur aus "seiner" Sicht.

Der Stil ist anders... irgendwie.
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