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FecarytheLion's avatar
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Kinder


geschrieben von FecaryTheLion


Sie saß vor dem flimmernden Bildschirm, war jedoch nicht auf die Arbeit konzentriert, die sie erwartete, sondern viel eher in Gedanken versunken, Gedanken daran, was wohl wäre, wenn sich ihr Sohn verlief. Oder schlimmeres. Es war sein erster Tag auf der neuen Schule, sein erster Tag in der Stadt. Was, wenn er nicht wusste, wie er sich zu verhalten hatte? Was, ja was wäre wenn er sich nicht auskannte, oder nicht mit all dem neuen zurechtkam?
Ein anderer Teil jedoch dachte aber, sie werde es ihrem Sohn doch zutrauen, nichts anzustellen, oder in nichts verwickelt zu werden, jetzt, da er immer selbstständiger wurde.
Sie war stolz auf ihn, und dieser Stolz ließ es nicht zu, an ihm zu zweifeln.
In Gedanken auf den Monitor sehend, ohne zu erkennen, was dort stand, hatte sie nicht bemerkt, dass sie nicht mehr alleine war.
Erst, als der Mann hinter ihr ihr auf die Schulter tippe, nahm sie ihn wahr, und drehte sich erschrocken um.
"Oh Gott, erschrecke mich doch nicht so.", sagte sie vorwurfsvoll, nachdem sie ihren Mann hinter sich stehen sah.
"Tut mir Leid, ich wollte nur deine Aufmerksamkeit erringen." Er lächelte. "Wir müssen los, den Kleinen abholen. Du erinnerst dich doch hoffentlich?", fügte er noch hinzu, als er ihren Blick sah, und ihn als verwundert deutete.
"Ja, ja, natürlich, aber ist es denn schon so spät?" Es war wirklich Verwunderung. "Anscheinend habe ich ganz die Zeit vergessen. Ich mach' das hier noch schnell fertig.", meinte sie hastig, und widmete sich wieder der Arbeit.
Kopfschüttelnd ging der Mann zur Tür und aus dem Büro. "Ich warte dann unten auf dich!", rief er über die Schulter, schaltete das Licht aus, und verschwand.
Die Frau saß alleine im Dunkeln des Zimmers, angeleuchtet vom Licht des Bildschirms. Sie konnte sich kaum konzentrieren, so nervös und besorgt war sie, auch wenn sie versuchte, sich nicht solche unsinnigen Gedanken zu machen.
Das fahle Schimmern ließ ihre Haut bleich erscheinen, fast wie aus Seide, fast wie die einer Leiche.
Als sie es dann endlich aufgab, weil sie einsah, dass es keinen Sinn hätte, noch zu versuchen, weiterzumachen, und auch, weil es höchste Zeit war, ihren Sohn abzuholen, schaltete die den Computer aus, stand auf, und verließ, wie ihr Mann, den Raum.
Es war ein nicht gerade erträglicher Tag gewesen. Hoffentlich konnte sie sich Montags wieder besser konzentrieren.
Sie ging die Treppen hinunter, eine Stufe nach der anderen, alle 13 Stockwerke.
Endlich unten angekommen, schloss sie die Tür nach draußen hinter sich und sah sich um.
Ein Auto rauschte an ihr vorbei, ein weiteres in entgegengesetzter Richtung. Es war schon dunkel, aber die Stadt war, wie immer, bei weitem noch nicht schlafend. Es konnte einem sogar so vorkommen, als würden die Leute hier nie zu Bett gehen.
Sie ging zu ihren Wagen, eine Straße weiter geparkt, und stieg auf der Beifahrerseite ein. Ihr Gatte drehte die Zündschlüssel, schweigend. Er fuhr an, aus der Parklücke hinaus und in den regen Verkehr. Irgendwann, als er das Schweigen nicht mehr aushielt, fragte er:
„Worüber hast du denn die ganze Zeit nachgedacht? Man konnte ja kaum übersehen, dass du in Gedanken vollkommen woanders warst, als du hättest sein sollen."
„Hat man es so stark gemerkt? Verdammt. Hoffentlich wird das keinen Ärger geben." Seufzend fuhr sich die Frau mit einer Hand über ihr Gesicht. „Naja, ich weiß, vermutlich klingt das jetzt ein wenig zu sorgenvoll, aber ich habe Angst um unseren kleinen.", antwortete sie nach kurzem Zögern.
„Ich bitte dich, er ist nun schon neun Jahre alt! Zwar mag das sein erster Tag hier sein, aber ich bin sicher, er wird zurechtkommen." Für eine Weile herrschte Schweigen.
Dann fügte er noch hinzu:
„Nun, um ganz ehrlich zu sein, ich mache mir auch Sorgen. Aber so ist es eben. Früher oder später muss er es lernen, auch einmal ohne eine helfende Hand auf eigenen Beinen stehen zu können. Und vermutlich wird er uns einiges zu erzählen haben." Der Mann lächelte wieder, und fuhr in einen Kreisverkehr, nahm die zweite Ausfahrt, weiter geradeaus, bis er dann in eine Seitenstraße einbog.
Die ganze Zeit über hatte keiner der beiden mehr ein Wort gesagt. Er konzentrierte sich auf den Verkehr, sie verlor sich in ihren Sorgen.
„Wir sind fast da.", kündigte er an.
Sie schwieg.
Er bog erneut ab.
Und keuchte erschrocken auf.
„Was geht da vor sich?"
Sie schwieg noch immer.
Starrte auf das, was sich vor ihnen abspielte.
Und bekam Angst.
Angst davor, ihre Ängste könnten Gestalt angenommen haben.
Angst allein vor dem Gedanken.
Er wurde sehr ernst. War nervös, blieb aber ruhig. Hielt auf einem der Schulparkplätze an. Stieg aus, genau wie sie. Und starrte, dich mit einer Hand auf der Tür abstützend.
„Du lieber Gott...", war alles, was er an Worten zustande brachte.
Der Schulhof, der sich vor ihnen erstreckte, war teilweise voll von Gaffern und anderen Elternpaaren, auch Reporter waren zu sehen. Aber eine Hälfte war abgesperrt und umstellt von Polizisten, die sich bemühten, die Menge zu beruhigen.
Was ihr jedoch am meisten Angst machte, war der Krankenwagen, der vor dem Schulgebäude stand,, und die Tragen, die zu ihm geschafft wurden. Tragen, auf denen Menschen lagen, eingehüllt in weiße Tücher.
Es war laut. Sehr laut. Man konnte einander kaum noch hören von all dem Geschrei, all dem Lärm, den Blaulichtern, den Menschen, die Schrien und nach Antworten verlangten. Die Leute wollten nicht gehen, auch wenn die Polizei immer wieder und wieder versuchte, sie zu beruhigen und nach Hause zu schicken. Das Paar, das vor einem Moment noch starr vor Schrecken gewesen war, setzte sich nun auch in Bewegung, tauchte in die Menge ein.
Sie schrie, was passiert sei, wo ihr Sohn sei, doch es war zwecklos, immer wieder wiederholten sich die Worte, die aus dem Megaphon dröhnten. Sie sollten alle nach Hause gehen, hieß es. Sie würden informiert werden, hieß es. Man müsse nur herausfinden, was genau passiert war.
Irgendwann sahen sie es ein, dass es keinen Zweck mehr hatte, in Panik zu schreien, und die Menge löste sich in ihre Einzelteile auf, zwar langsam, doch es wurden beständig weniger Leute.
Auch er zog seine Frau weg von dem Spektakel. Er musste nicht einmal auf sie einreden, sie ließ es über sich ergehen, ließ sich mitziehen, in Schock und Angst, Angst um ihren Sohn, um das, was ihm zugestoßen sein könnte. Der Krankenwagen war inzwischen auch schon lange fort. Ein paar Menschen versuchten ihm zu folgen, oder versuchten, im nahegelegenen Krankenhaus Antworten zu finden.
Nicht, dass nicht jeder wüsste, was geschehen war.
Aber sie wollten es nicht glauben.
Er musste sie beinahe schon führen, als ob sie vergessen hätte, wo der Wagen stand, und die beiden gingen an anderen verwirrten, geschockten und teilweise sogar weinenden Paaren vorbei, stiegen in das Auto, und sie starrte die ganze Fahrt in böser Vorahnung geradeaus, blieb still und stumm, formte mit dem Mund nur lautlose Worte, ein Flehen, das in dem Motorgeräuschen unterging.
Als sie vor ihrem Haus hielten und nachdem er den Wagen ab- und die Haustüre aufgeschlossen hatte, nachdem sie beide hineingegangen waren, die Frau inzwischen nicht mehr geschockt, sondern ruhig, zu ruhig, beinahe schon abwesend wirkend, setzte er sie auf das Sofa und machte ihnen etwas zu essen.
Auch er machte sich große Sorgen, doch er wusste, dass es nun keinen Sinn hatte, zu verzweifeln, und das einzige, was ihm  nun half, war, sich in alltäglichen Tätigkeiten zu ertränken.
Er wusste, dass Worte nun kaum einen Sinn hätten, doch er versuchte es trotzdem. Brachte einen Teller Nudeln zu ihr an das Sofa. Sie schien noch immer abwesend, in ihren Sorgen versunken, und er musste sie mehrere Male ansprechen, bis er ihre Aufmerksamkeit hatte.
Sie aßen zusammen, schweigend.
Und er schwieg letztlich doch auch.
Auch, als sie zu Bett gingen, beide mit einem letzten Blick auf das Telephon, das den ganzen Abend stumm blieb und jegliche Informationsweitergabe verweigerte, schwiegen sie.
Keiner der beiden schlief in den ersten Stunden ein, sie bleiben wach und in ihren Sorgen versunken, bis sie rein aus Erschöpfung und Schock doch einschliefen.
Das Telephon läutete.
Niemand hob ab.

© DraonCC
Naja, messed up am Ende.
Mehr gibt es eigentlich kaum mehr zu sagen.
...
Gefällt mir recht wenig, hat auch kaum Spass gemacht, zu schreiben. Vll findet irgend eine arme Seele diese Kurzgeschichte und kann mit diesem ormlosem Stück etwas anfangen, was ich allerdings stark bezweifle.

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